Bei Menschen mit EDS treten häufig weitere Erkrankungen auf, die direkt oder indirekt mit einem Ehlers-Danlos-Syndrom in Verbindung stehen können. Da der Wissenschaft aber die medizinischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Auswirkungen und dem EDS oft nicht bekannt sind, können viele der parallel gestellten Diagnosen nicht als Begleiterkrankung des EDS deklariert werden. Dennoch ist das gleichzeitige Auftreten von EDS und bestimmter weiterer Erkrankungen bekannt, sodass einige im Folgenden beschrieben werden. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass diese Übersicht nicht vollständig ist, sondern lediglich einen Anhaltspunkt darstellt. Zudem treten nicht bei jedem EDS-Betroffenen die gleichen „Begleiter“ auf.
Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS)
Bei einer Vielzahl EDS-Betroffener, die entsprechende Symptome zeigen, kann ein posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom diagnostiziert werden. Postural sagt aus, dass etwas die Körperhaltung betrifft. Die Orthostase bezeichnet eine aufrechte Position, beispielsweise das Stehen. Eine Tachykardie ist die beschleunigte Herzfrequenz ab einem Wert von 100/min. Sie kommt auch als natürlicher und gesunder Vorgang beim Sport oder anderen Stressoren vor.
Beim posturalen orthostatischen Tachykardiesyndrom (POTS) tritt jedoch eine unverhältnismäßig stark beschleunigte Herzfrequenz in aufrechter Position auf und wird von vielen weiteren Symptomen begleitet. Das POTS stellt eine Regulierungsstörung des autonomen Nervensystems dar, die sich u. a. auf das Herzkreislaufsystem auswirkt. Die notwendige Anpassung von Gefäßdruck und Herzfrequenz nach dem Aufrichten aus einer liegenden Position ist im Normalfall innerhalb von etwa dreißig Sekunden abgeschlossen. Bei Menschen mit posturalem Tachykardiesyndrom oder anderen Formen der Orthostase-Intoleranz gelingt diese Umstellung durch die Fehlfunktion im autonomen Nervensystem nicht in ausreichendem Maße. Das autonome Nervensystem (ANS) oder auch vegetative Nervensystem (VNS) steuert die automatisch ablaufenden Prozesse des Körpers, die vom Menschen nicht willentlich verändert werden können. Sie sind vom bewussten Handeln unabhängig, also autonom. Herzkreislaufsystem, Verdauung, Schweißproduktion, Bildung von Tränenflüssigkeit, Pupillenbewegung der Augen, Hormonausschüttung oder die Atmung werden vom autonomen Nervensystem reguliert oder zumindest beeinflusst.
Das POTS ist keine psychische Erkrankung, sondern neurologisch bedingt und kann anhand klar definierter Kriterien mit spezifischen Messmethoden, wie Test der tiefen Atmung, Valsalva-Manöver und Schellong-Test bzw. Kipptisch-Untersuchung diagnostiziert werden:
- Anstieg der Herzfrequenz nach dem Aufrichten (Liegen -> Stehen) um mindestens 30/min und/oder auf eine absolute Herzfrequenz von mindestens 120/min während der ersten zehn Minuten im Stehen
- dabei kein signifikanter Blutdruckabfall oder –anstieg
Manchmal gelingt es im Rahmen der o. g. Untersuchungen auch laborchemisch (Blutuntersuchung), die POTS-Diagnose zu ergänzen, wenn bestimmte Botenstoffe im Blutspiegel Veränderungen im Stehen aufweisen.
Weitere Symptome in aufrechter Position bei Orthostase-Intoleranz:
- Benommenheit/Schwindel
- Palpitationen (das Spüren des Herzschlages)
- Tremor (Zittrigkeit)
- Übelkeit/Schwitzen
- allgemeine Schwäche
- Sehstörungen, Tinnitus
- Präsynkopen oder Synkopen (Beinahe-Ohmachten oder tatsächliche kurze Bewusstlosigkeit)
Allgemein gilt für viele Betroffene:
- Verstärkung der Symptome bei physischer und psychischer Belastung, Hitze oder Mahlzeiten
- erhöhte Herzfrequenz auch in Ruhe
- Akrozyanose in aufrechter Position (Blaufärben der Unterschenkel und Unterarme)
- verminderte körperliche Belastbarkeit
- verlängerte Regenerationszeit
- gestörte Sudomotorik (nächtliches Schwitzen, vermindertes bis gar kein Schwitzen oder zu starkes Schwitzen)
- gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Motilitätsstörungen, etc.)
Orthostatische Hypotension
Eine weitere Form der Orthostase-Intoleranz ist die orthostatische Hypotension, also der erniedrigte Blutdruck in aufrechter Körperposition. Im Gegensatz zum POTS fällt bei dieser Variante durch die gestörte Regulierungsfähigkeit des autonomen Nervensystems der Blutdruck nach dem Aufrichten durch natürliches Versacken des Blutes in den unteren Körperregionen zwar zunächst erwartungsgemäß ab, kann dann jedoch nicht ausreichend korrigiert werden und führt zu sehr ähnlichen Symptomen wie die des POTS. Das Verhalten des Blutdruckes stellt jedoch ein klares Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen beiden Formen der Orthostase-Intoleranz dar.
Störung im Medikamentenstoffwechsel
Viele EDS-Betroffene beschreiben, eine Vielzahl unterschiedlicher Arzneistoffe nicht zu vertragen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu erleben. Es kommt oft zu verlängerten, verkürzten, abgeschwächten oder verstärkten Wirkungen des eingenommenen Medikamentes oder es werden starke Nebenwirkungen beschrieben.
Eine Möglichkeit, eine konkrete Ursache hierfür zu benennen, ist die molekulargenetische Untersuchung der Cytochrome P450, einer Gruppe von Genen, die gleichnamige Enzyme „programmieren“. Die Cytochrome P450 (CYP-Enzyme) stellen einen wesentlichen Bestandteil in der Verstoffwechselung von Arzneimittelwirkstoffen dar und kommen vor allem in der Leber vor. Ist die Anzahl oder Funktionsweise der CYP-Enzyme infolge genetischer Mutationen oder Beschädigungen verändert, kann dies zu den entsprechenden Auswirkungen auf die Verträglichkeit und Verstoffwechselung von Medikamenten führen. Anhand der genetischen Analyse können Aussagen darüber getroffen werden, welche Wirkstoffe konkret betroffen sind und in welcher Art und Weise sich die Störung im Medikamentenstoffwechsel auswirkt.
Die Analyse lässt sich um weitere Parameter ergänzen und ist nicht auf Cytochrome P450 beschränkt. Leider ist diese Laboruntersuchung seit dem Jahr 2016 keine gesetzliche Leistung mehr und muss privat finanziert werden. Möglicherweise gelingt jedoch bei entsprechender Antragstellung die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Instabilität der Halswirbelsäule
Durch die Hypermobilität direkt resultierende Folgen des EDS sind Instabilitäten in den Gelenken und in den Abschnitten der Wirbelsäule. Auch hier sei darauf hingewiesen, dass diese nicht bei jedem EDS-Betroffenen auftreten müssen und, wenn ja, in unterschiedlicher Ausprägung vorkommen. Die HWS-Instabilität ist somit keine parallele Erkrankung im eigentlichen Sinne, sie nimmt wegen ihrer zumeist starken Auswirkungen auf viele Körperfunktionen und die Lebensqualität jedoch einen hohen Stellenwert ein und wird hier daher ebenfalls beschrieben. Die HWS-Instabilität betrifft häufig die Kopfgelenke, kann aber auch in den übrigen Abschnitten der Halswirbelsäule, beispielsweise in Form von Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) auftreten. Bei Symptomen wie
- unklarer und/oder positionsabhängiger Schwindel
- Sensibilitätsstörungen der Arme und/oder des Gesichts
- Sehstörungen, Tinnitus
- Koordinierungsstörungen
- muskuläre Schwächen
- brennende Schmerzen im Hinterkopfbereich
- ggf. positionsabhängige Übelkeit
- u.v.m.
kann zunächst eine MRT der Halswirbelsäule im Liegen Hinweise auf den Zustand der dortigen Strukturen geben. Oft lassen sich so bereits Bandscheibenschäden oder degenerative Veränderungen an den Wirbeln erkennen. Sind die Symptome jedoch im Vergleich zum Befund unverhältnismäßig stark ausgeprägt oder weisen sie deutliche positionsabhängige Veränderungen auf, kann eine Funktionsuntersuchung im Upright-MRT Aufschluss geben. Hierbei wird die Halswirbelsäule in aufrechter Körperhaltung und in verschiedenen Positionen des Kopfes und der HWS, also unter der natürlichen Gewichtsbelastung, beurteilt und kann gegebenenfalls ein wesentlich komplexeres Bild über eingetretene Veränderungen ergeben als es im liegenden MRT möglich ist.
Auch diese Untersuchung ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen und oft wird die Kostenübernahme bei Antragstellung abgelehnt. Es gibt jedoch Betroffene, denen die Untersuchung im Upright-MRT bewilligt wurde, sodass bei gegebener Notwendigkeit ein entsprechender Antrag mit aussagekräftiger Begründung grundsätzlich zu empfehlen ist.
Small-Fibre-Neuropathie (SFN)
Die Small-Fibre-Neuropathie (SFN) ist eine Form der Polyneuropathien, die sowohl bei Personen mit POTS als auch bei Personen mit EDS sehr häufig auftritt. Da die SFN jedoch mit den standardmäßigen neurologischen Untersuchungen, wie z. B. der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG), nicht erkannt werden kann, ist die Diagnosestellung oft schwierig. Bei einer SFN sind die kleinen Nervenfasern unter der Haut beschädigt, sodass verschiedene Einflüsse (bspw. Einwirkung von Wärme und Kälte) verändert wahrgenommen werden. Typische Symptome einer Small-Fibre-Neuropathie sind
- Sensibilitätsstörungen v. a. in Händen und/oder Füßen
- neuropathische Schmerzen
- veränderte Empfindsamkeit gegenüber äußeren Reizen
Die SFN kann mit einer spezifischen Untersuchungsmethode, der quantitativ sensorischen Testung (QST), diagnostiziert werden. Bei dieser werden bestimmte Hautpartien unterschiedlichen Reizen ausgesetzt und die hierauf erfolgte Reaktion gemessen. Eine ergänzende diagnostische Maßnahme ist die Analyse einer Hautbiopsie, die bei EDS-Patienten aufgrund der häufig schlechteren Wundheilung, der verstärkten Blutungsneigung sowie der veränderten Narbenbildung allerdings zurückhaltend empfohlen wird.
Weitere häufig bei EDS parallel diagnostizierte Erkrankungen
Mastzellaktivierungssyndrom (MACS)
chronisches Fatigue-Syndrom (CFS)
Erkrankungen der Knochenstruktur wie Osteopenie oder Osteoporose (Zusammenhang mit EDS wird kontrovers diskutiert)
Vitamin- und Mineralstoffmängel
und weitere …
Literaturquellen:
POTS
Haensch CA, Wagner C, Mallien J, Isenmann S. (2013). Posturales Tachykardiesyndrom. Schattauer/Nervenheilkunde 4/2013
Figueroa JJ, Basford JR, Low PA (2010). Preventing and treating orthostatic hypotension. Cleve Clin J Med. PMC ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2888469
Low PA, Sandroni P, Joyner M, Shen WK (2009). Postural Tachycardia Syndrome (POTS). J Cardiovasc Electrophysiol. PMC (2014) ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3904426
Wallmann D, et al. (2014). Ehlers-Danlos Syndrome and Postural Tachycardia Syndrome: A relationship study. J NeurolSci/ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24685354